Christian Loretz, nach sechs Jahren Engagement für la pendenta, wie fühlt es sich an, dieses Projekt nun abgeschlossen zu haben? 

 

Es ist ein zutiefst bewegender Moment, der viele Emotionen auslöst.

 

Dieses Projekt war von Anfang an eine Vision, die weit über mich persönlich hinausging. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das von der Stärke und dem Einsatz vieler Menschen getragen wurde – vom Vorstand der uniun la pendenta über die Vereinsmitglieder bis hin zu den zahlreichen Unterstützern in der Bevölkerung. Der Eröffnungstag, der mit einer Messe in der historischen Kapelle Sontga Gada begann, hat gezeigt, wie sehr dieses Projekt die Menschen berührt. Es war ein Moment, der uns daran erinnert hat, wie tief verwurzelt das Gemeinschaftsgefühl in unserer Region ist und wie wir durch Zusammenarbeit etwas Aussergewöhnliches schaffen können.

 

Können Sie uns mehr über die finale Phase des Projekts erzählen?

Die letzte Phase des Projekts war eine Herausforderung, aber auch ein Beweis für den Zusammenhalt der Region. Zwei Tage vor der Eröffnung fehlten noch 50.000 Franken, doch die Reaktion der Menschen war überwältigend. Viele haben symbolische Meter der Brücke gekauft, um das Projekt zu unterstützen – von Privatpersonen bis hin zu lokalen Unternehmen. Die entscheidende Hilfe kam dann durch die Patenschaft für Berggemeinden, die den verbleibenden Betrag übernahm. Dieser Moment war ein grosser emotionaler Höhepunkt für uns alle. Es hat gezeigt, dass selbst in schwierigen Situationen eine Lösung möglich ist, wenn die Gemeinschaft zusammenhält. Jeder Beitrag, egal wie gross oder klein, hat mitgewirkt, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Wie hat Ihre Familie diese Zeit erlebt?

Für meine Familie war diese Zeit eine grosse Herausforderung, aber auch eine verbindende Erfahrung. Das Projekt wurde zu einem Familienprojekt, das wir alle gemeinsam getragen haben. Meine Frau und meine Kinder haben mich nicht nur unterstützt, sondern waren selbst oft Teil des Geschehens. Sie waren stolz darauf, ihren Beitrag zu leisten, und das hat mich immer wieder motiviert, weiterzumachen.

 

Diese gemeinsame Anstrengung hat uns als Familie enger zusammengeschweisst. Es ist schön zu sehen, dass auch meine Kinder verstehen, wie wichtig solche Projekte für unsere Gemeinschaft sind.

 

Welche technischen Herausforderungen gab es bei der Realisierung von la pendenta?

Die technischen Aspekte waren anspruchsvoll und erforderten innovative Lösungen. Ein zentraler Bestandteil war die parametrische Modellierung, die es uns ermöglichte, die Brücke flexibel an die spezifischen Anforderungen des Geländes anzupassen. Dieser Ansatz ist ein globaler Trend, doch in unserer Region haben wir mit la pendenta gezeigt, dass solche Methoden auch in einem traditionellen Umfeld wie der Surselva hervorragend eingesetzt werden können. Es war inspirierend, an einem Bauwerk mitzuwirken, das einerseits modernste Technologien nutzt und gleichzeitig in die lange Tradition unserer Region passt. Die Surselva hat über Jahrhunderte hinweg bedeutende Bauwerke geschaffen, die immer „auf der Höhe der Zeit“ waren. Es ist eine Ehre, Teil dieser Geschichte zu sein.

 

Wie hat das Projekt die soziale Struktur in der Region beeinflusst?

La pendenta weckt das Gemeinschaftsgefühl einer Region, deren Stärke seit Hunderten von Jahren tief verankert ist. Es hat Verbindungen geschaffen, nicht nur zwischen Disentis und Mumpé Medel, sondern ganz allgemein “zwischen den Menschen und Kulturen”, wie es uns Abt Vigeli früh mit auf den Weg gegeben hat. Dieses Projekt war ein Erfolg des gesamten Vereins uniun la pendenta, des Vorstands, der Mitglieder und vieler freiwilliger Helfer. Es war nie das Werk einer einzelnen Person, sondern immer ein Gemeinschaftsprojekt im besten Sinne. Diese Zusammenarbeit hat uns alle ein Stück näher zusammengebracht.

 

Welche Bedeutung hat die Hängebrücke für die regionale Identität?

Die Brücke ist viel mehr als nur eine Verbindung zwischen zwei Orten.

Sie symbolisiert die Innovationskraft und den Zusammenhalt unserer Region. Sie erinnert uns daran, wie wir unsere Traditionen bewahren und gleichzeitig mutig neue Wege gehen können. Für viele Menschen in der Surselva ist sie zu einem Zeichen der Beständigkeit, Freude und Verbundenheit geworden. Sie zeigt, dass wir auch in einer kleinen Gemeinschaft Grosses erreichen können, wenn wir an einem Strang ziehen. La pendenta ist ein lebendiges Symbol dafür, wie sehr unsere Region von ihrer Gemeinschaft getragen wird.

 

 

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung in Bezug auf dieses Projekt?

Ich sehe la pendenta als Inspiration für weitere Projekte, die unsere Region stärken und gleichzeitig unsere bestehenden Werte bewahren und mit neuem Leben füllen. Es geht nicht darum, immer grössere oder spektakulärere Projekte zu schaffen, sondern darum, die Lebensqualität und den Zusammenhalt zu fördern. Die Brücke ist ein Ausgangspunkt für Initiativen, die Menschen verbinden, sei es physisch oder emotional.

 

Die Möglichkeiten sind vielfältig, und ich bin überzeugt, dass wir als Region und Gemeinschaft noch viele weitere Meilensteine erreichen können.

 

Welche Erfahrungen möchten Sie in zukünftige Vorhaben einbringen?

Die wichtigste Lektion aus diesem Projekt für mich ist, wie entscheidend Transparenz, Teamarbeit und die Einbindung der Gemeinschaft sind. Dieses Wissen werde ich in zukünftige Projekte einbringen, um sicherzustellen, dass sie genauso erfolgreich umgesetzt werden können. La pendenta hat uns allen gezeigt, dass echte Veränderung aus dem Miteinander entsteht – eine Erfahrung, die uns weiterhin leiten wird. Es ist ein grosses Geschenk, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die mit so viel Leidenschaft und Einsatz ihre Zukunft gestaltet.